Greifswalder Schifffahrts- und Hafengeschichte
Seit November 2019 informieren sieben Schautafeln über verschiedene Aspekte der Greifswalder Schifffahrtsgeschichte. Die Tafeln entstanden in Zusammenarbeit zwischen Museumshafenverein und Stadtarchiv, sie befinden sich an mehreren Standorten rund um den Museumshafen.
Abbildungen der Tafeln und weitere Informationen finden Sie hier.
Bald nach ihrer Gründung in der Mitte des 13. Jh. wuchs die Stadt Greifswald in das Netz des hansischen Handels hinein. Im Zeichen der Zugehörigkeit zur Hanse, welche die Entwicklung Greifswalds bis in das 15. Jh. hinein prägte, erlebte die Stadt ihre erste große Blütezeit. Greifswalder Kaufleute engagierten sich vor allem im Handel nach Skandinavien, aber auch nach Flandern, England und Russland. Die nach bestimmten Regionen handelnden Kaufleute schlossen sich zu Korporationen (wie beispielsweise denen der Bergen- und der Schonenfahrer) zusammen. Neben der Ausfuhr von Getreide und anderen Agrarprodukten der Umgebung wurden Hering, Stockfisch, Pelzwaren, Hanf, Wachs, Tuche, Wein und Wolle importiert bzw. weiterverhandelt.
Das Bild „Greifswald zur Hansa-Zeit, 1560“, wohl ein Aquarell, trägt die Signatur des in Wolgast geborenen Marinemalers Willy Stöwer (1864-1931). Das überhöhende Genrebild ist ein Beispiel dafür, wie man sich zu Beginn des 20. Jh. die maritime Vergangenheit Greifswalds vorstellte. Tatsächlich hatten im 16.Jh. die hansischen Aktivitäten Greifswalds ihren Höhepunkt längst überschritten. Die im Bild links neben dem Vangenturm dargestellte Bastion wurde erst im 17. Jh. errichtet.
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Von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges, in dessen Ergebnis Vorpommern mit Greifswald 1648 an Schweden fiel, vermochte sich die Greifswalder Schifffahrt erst nach Jahrzehnten zu erholen. Eine spürbare Belebung des Greifswalder Schiffbaus und Seehandels setzte erst gegen Ende des 18. Jh. ein, wofür die hier abgebildete Hukergaleasse „Greif“ als Beispiel steht. Hukergaleassen waren anderthalbmastige, bis in das erste Drittel des 19. Jh. sehr gebräuchliche Schiffe, deren Fahrtgebiet sich bis ins Mittelmeer erstreckte. Die ca. 22 Meter lange „Greif“ wurde 1783/84 in Greifswald für den hiesigen Schiffer Samuel Christian Kehnrock gebaut. Zu jener Zeit waren in Greifswald ca. 30 Schiffe mit einer Tragfähigkeit bis zu 60 schweren pommerschen Lasten beheimatet.
Die häufigsten Schiffstypen der damaligen Greifswalder Handelsflotte waren neben der erwähnten Hukergaleasse die Galeasse, die Slupgaleasse, die Brigantine, verschiedene Schoner typen, die Jacht und die Slup. 1795 wurde die Greifswalder Schiffergesellschaft als berufsständische Korporation gegründet.
Das Kapitänsbild (Schiffsporträt) der „Greif“ ist eines der ältesten aus unserer Region. Das Schiff läuft unter der schwedischen Flagge, gerade werden das Bram- und ein zusätzliches Vorsegel gesetzt.
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Im Ergebnis der Napoleonischen Kriege fiel Greifswald 1815 an Preußen. Um die Mitte des 19. Jh. intensivierte sich die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. In jenen Jahren erlebten die Greifswalder Segelschifffahrt und der Schiffbau eine letzte Blüte. Das Fahrwasser des Rycks wurde ausgebaggert. Durch den Abriss der Stadtmauer an der südlichen Seite des Hafens wurde Platz für den Umschlag und die Lagerung von Waren gewonnen. Mitte des 19. Jh. zählte die Greifswalder Handelsflotte ca. 50 Seeschiffe, die größeren segelten bis ins Schwarze Meer, nach Amerika, Ostindien und China. Vorherrschend war die angestammte Partenreederei, bei der mehrere Personen Schiffsparten (Anteile) hielten.
Unser Bild zeigt mehrere Handelsschiffe, zumeist Briggs (Segelschiffe mit zwei vollgetakelten Masten) im Hafen. Am linken Bildrand, auf der Werft von Johann Daniel Gaede, liegt eine Bark auf Stapel. Vor der Schiffswerft ist auf dem Ryck eine Treckschute zu erkennen, die mit Hilfe eines Pferdes flussabwärts getreidelt wird. Das einmastige Fahrzeug rechts daneben im Vordergrund ist eine Gaffelslup, ein in Vorpommern vor allem in der Ostsee-, Haff- und Boddenfahrt oft eingesetzter Schiffstyp. Im Bildhintergrund rechts befindet sich die Saline, die bis 1869 in Betrieb gewesen ist.
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Bis zum Aufkommen von Dampfschiffen beförderten Treckschuten (flache, von Pferden gezogene kahnartige Fahrzeuge) Passagiere vom Greifswalder Hafen nach Eldena an der Ryckmündung. In den Jahren nach 1870 wurden diese Treidelkähne von kleinen Personendampfern wie der hier abgebildeten „Grille“ abgelöst. Parallel zum Aufblühen des Bäderwesens an der Ostseeküste seit dem ausgehenden 19. Jh. entwickelte sich auch in Greifswald die Fahrgastschifffahrt. Ausflugs- und Salondampfer brachten die Badegäste nach Wieck und Eldena, auf den Greifswalder Bodden, nach Lubmin und zu den Seebädern an der Südostküste Rügens wie Lauterbach, Baabe und Thiessow. Mit der Eisenbahn aus Richtung Berlin anreisende Fahrgäste gelangten mit der Hafenbahn direkt vom Bahnhof bis zur Dampferanlegestelle.
Über 30 dieser Fluss- und Küstendampfer hat die Kesselersche Maschinenfabrik in der Mühlenvorstadt in den letzten vier Jahrzehnten des 19. Jh. für Greifswalder und andere Reedereien gebaut. Zum Stapellauf im Hafen mussten die eisernen Fahrzeuge auf eigens konstruierten und von Pferden gezogenen Wagen durch die halbe Stadt bis zu ihrem Ablaufplatz am nördlichen Ryckufer transportiert werden.
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Der ca. fünf km lange Ryck, seit dem Mittelalter bis ins 19. Jh. Hauptlebensnerv der Stadt, verbindet den Greifswalder Stadthafen mit dem Ende des 13. Jh. angelegten Vorhafen in Wieck. Für Segelschiffe war es infolge der vorherrschenden Westwinde oft schwierig, den Stadthafen anzulaufen, sofern sie wegen der geringen Fahrwassertiefe des Rycks ihre Fracht nicht ohnehin in Wieck auf Leichter und Prähme zum Weitertransport in die Stadt umluden. In der Mitte des 19. Jh. wurden beide Häfen ausgebaut, nachdem bereits in den 1820er und 1830er Jahren eine Neuregulierung des Ryckufers erfolgt war.
An der Südseite wurde ein dem „Trecken“ (Treideln) von Schiffen dienender Leinpfad angelegt, von dem aus die Fahrzeuge durch Pferde- oder Menschenkraft gezogen wurden. Angesichts des bis in die erste Hälfte des 20. Jh. nicht sehr hohen Motorisierungsgrads der den Greifswalder Hafen anlaufenden Segel-, Fischerei- und Binnenfahrzeuge war der Anblick getreidelter Schiffe und Boote auf dem Ryck nichts Ungewöhnliches. Gesetze und Polizeiverordnungen regelten das Verfahren, wenn getreidelte Fahrzeuge einander begegneten oder überholten.
Bereits 1828 bis 1837 war eine Neuregulierung des Ryckufers erfolgt. An der Südseite war ein dem Treideln bzw. dem „Trecken“ von Schiffen dienender Leinpfad angelegt worden, der bis heute zugleich die Funktion als Hochwasserdeich erfüllt. Eine am 24. August 1858 erlassene Hafen-Polizei-Ordnung, die u.a. auch den Verkehr am Leinpfad regelte, wurde durch die Polizei-Verordnung des Stralsunder Regierungspräsidenten für die Häfen von Greifswald und Wieck und die Reede zu Wieck bei Greifswald vom 21. Juli 1885 ersetzt. Diese Verordnung enthielt auch Bestimmungen über sich auf dem Ryck begegnende Schiffe und sonstige Fahrzeuge, die vom Leinpfad aus gezogen wurden. Demzufolge hatten stets die von Menschen gezogenen den von Pferden gezogenen Fahrzeugen auszuweichen. Ebenso hatten Stromfahrzeuge (Boote, Jachten und Kähne) Seeschiffen auszuweichen, wie überhaupt jedes stromabwärts gehende Fahrzeug verpflichtet war, gegenüber einem stromaufwärts laufenden Schiff „die Leine zu werfen“ (loszulassen), um es passieren zu lassen.
Gegen Ende des 19. Jh. ging die Bedeutung Greifswalds als Seehandelsplatz zurück. Immerhin erreichte der Greifswalder Seeverkehr, der während des Ersten Weltkriegs fast völlig zum Erliegen gekommen war, Mitte der 1920er Jahre noch einmal annähernd den Vorkriegsstand. 1924 liefen 216 Dampfer, 149 Segelschiffe, 407 Binnenfahrzeuge und 50 Schlepper die Häfen von Greifswald und Wieck an. Da der Motorisierungsgrad namentlich der Segel-, Fischerei- und Binnenfahrzeuge nicht sehr hoch war, dürfte der Anblick getreidelter Schiffe, Boote und Kähne auf dem Ryck, der durch das Wassergesetz vom 7. April 1913 zum Fluss erster Ordnung erhoben worden war, zu jener Zeit nichts Außergewöhnliches gewesen sein. Allerdings befand sich der Leinpfad in einem schlechten Zustand. Wie sich aus Akten im Stadtarchiv ergibt, wies der Greifswalder Magistrat in einem Schreiben an die zuständige staatliche Behörde, das Wasserbauamt Ost in Stralsund, vom 18. Dezember 1924 darauf hin, dass sich tiefe Laufrinnen auf dem Pfad gebildet hatten. Diese würden bei einer Sturmflut das Risiko von Dammabspülungen erhöhen und behinderten überdies durch die zwischen ihnen liegenden Grasinseln den Treidelverkehr. Über der strittigen Frage, ob die Stadt oder der preußische Staat für die Unterhaltung des Leinpfads zuständig war, schwebte ein Verfahren am Oberverwaltungsgericht. Seitens der Reichswasserstraßenverwaltung lehnte das Stralsunder Wasserbauamt Ost am 29. Dezember 1924 einen Beitrag zur Ausbesserung des Leinpfads mit der Begründung ab, dass die Laufrinnen insbesondere durch die öffentliche Benutzung der Deichkrone als Promenadenweg zwischen Greifswald und Eldena verursacht worden seien, woraufhin die Stadt die Arbeiten im Folgejahr in Eigenregie ausführte. Aus Schifffahrtskreisen waren Klagen über den Zustand des Leinpfades freilich nicht zu vernehmen gewesen.
Dass das Treideln auf dem Ryck zumindest bis in die 1930er Jahre nicht gänzlich an Bedeutung verloren hatte, belegt der Umstand, dass sowohl die Polizeiverordnung zur Regelung des Verkehrs auf den deutschen Seewasserstraßen (Seewasserstraßenordnung) vom 31. März 1927 als auch die gleichlautende Verordnung vom 31. Oktober 1933 je einen besonderen Abschnitt (in § 84 bzw. § 80) zum „Treideln von Fahrzeugen auf dem Rykfluß [sic]“ enthielt. Beide Verordnungen wurden von den jeweiligen Reichsverkehrsministern vollzogen, es handelte sich also um solche der Reichsebene, veröffentlicht im Reichsgesetzblatt. Die sich auf das Treideln auf dem Ryck beziehenden Bestimmungen entsprechen inhaltlich einander, sie unterscheiden sich lediglich geringfügig in einigen Formulierungen sowie formal, in der Gliederung. Im Folgenden sei der entsprechende Passus aus der Seewasserstraßenordnung (SWO) vom 31. Oktober 1933, mit deren Inkrafttreten am 1. Januar 1934 die SWO vom 31. März 1927 außer Kraft trat, vollständig zitiert:
5. Treideln von Fahrzeugen auf dem Rykfluß
a) Begegnen getreidelte Fahrzeuge einander an demselben Ufer, so muß das auslaufende dem einlaufenden ausweichen. Ein einlaufendes Fahrzeug mit umlegbaren Masten muß diese umlegen.
b) Überholen getreidelte Fahrzeuge einander, so muß das langsamer fahrende, wenn es umlegbare Masten hat, diese umlegen; das überholende Fahrzeug muß ausweichen. Hat das langsamer fahrende Fahrzeug keine umlegbaren Masten (pommerscher Kahn), so muß es ausweichen und die Leine loslassen.
c) Der Führer eines am Leinpfad stilliegenden Fahrzeugs muß den Mannschaften vorbeifahrender Fahrzeuge gestatten, sein Fahrzeug zu betreten, wenn dieses zum Vorbeiführen der Leine beim Treideln notwendig ist. Erforderlichenfalls ist er zur Hilfeleistung verpflichtet.
d) Das Betreten der Ufer ist nur so weit gestattet, wie es bei ordnungsmäßigem Schiffahrtsbetriebe notwendig ist.
Das Treideln von Fahrzeugen der Berufsschifffahrt auf dem Ryck gehört der Vergangenheit an, wann das letzte Schiff getreidelt wurde, ist unbekannt. Nach mehreren Jahrzehnten wurde erstmals am 18. April 2015 mit der "Weißen Düne", die zum Beginn der Segelsaison aus dem Greifswalder Museumshafen, ihrem Winterliegeplatz, auslief, wieder ein Schiff auf dem Ryck getreidelt. Die Aktion wurde ebenso öffentlichkeitswirksam in den Folgejahren wiederholt. Ob damit eine alte Tradition neubelebt werden kann, wird die Zukunft zeigen.
Uwe Kiel, Stadtarchiv Greifswald
Spätestens seit dem Ende des 19. Jh. konnte der Greifswalder Hafen aufgrund der ungünstigen Fahrwasserverhältnisse und des fehlenden wirtschaftlichen Hinterlandes mit der internationalen Entwicklung von Schifffahrt und Hafenumschlag nicht mehr Schritt halten. Der Hafen wandelte sich zum Binnenhafen, in dem kleinere Frachtschiffe im Küstenverkehr (Küstenmotorschiffe, Motorgüterschiffe und Haffkähne) ihre Fracht umschlugen. Im Jahre 1936 liefen 1106 Schiffe (196 See- und Küstenschiffe und 910 Binnenschiffe) die Häfen in Greifswald und Wieck an, während 1092 Fahrzeuge ausliefen.
Nach der Inbetriebnahme des Rostocker Überseehafens 1960 bestand eine wichtige Aufgabe des Greifswalder Hafens darin, einen Teil der in Rostock auf die Eisenbahn verladenen Güter zum Weitertransport auf Binnenschiffe umzuschlagen. Unser Bild zeigt den Blick von der Steinbeckerbrücke auf den Hafen um 1965. In jenen Jahren wurden vor allem Schleppkähne und Motorfrachtschiffe mit Ladung für Industriebetriebe im Raum Magdeburg, Riesa und Eisenhüttenstadt abgefertigt.
Nach der „Wende“ und der Verlagerung des Industriehafens nach Ladebow wurde der Stadthafen 1991 dem Museumshafenverein zur Nutzung übergeben.
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Die meisten Greifswalder Werften überlebten den Niedergang der Segelschifffahrt nicht. Langfristig konnte sich lediglich die von dem Bootsbauer Richard Buchholz seit 1911 betriebene Holzbootswerft behaupten. Nach dem Zweiten Weltkrieg profitierte der nach wie vor als privates Unternehmen geführte Betrieb vom Neuaufbau der ostdeutschen Fischwirtschaft. Zwischen 1948 und 1953 wurden hier drei 17-m-Kutter und zwei 24-m-Kutter gebaut. Mit dem 32 m langen Lehr- und Versuchskutter „Neues Deutschland“ lief 1951 der damals größte Holzschiffsneubau der DDR vom Stapel. Mitte der 1950er Jahre folgten dreizehn 12-m-Kutter als letzte Serienbauten von Holzfischkuttern. Nach der Flucht des Werftbesitzers Willy Buchholz in die Bundesrepublik 1953 wurde die Buchholzsche Werft in einen Volkseigenen Betrieb (VEB Boots- und ReparaturwerD Greifswald) umgewandelt, der bis zum Ende der DDR (zuletzt als Betriebsteil der VolkswerD Stralsund) vor allem Fischkutter reparierte.
Seit 2001 bemüht sich ein Förderverein um den Erhalt der Werft als kulturhistorisches Denkmal und ihren Ausbau zu einer Museums- und Kulturwerft.
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